[Nachteile üblicher Differenziale] · [Was ist das besondere am Sperrdifferenzial?] · [Möglichkeiten des Sperrdifferenzials] · [Lenken des Sperrdifferenzials] · [Schwächen einfacher Sperrdifferenziale]
Genau genommen ist ein Sperrdifferenzial nichts anderes, als ein offenes Differenzial mit künstlich verschlechtertem Wirkungsgrad, d. h. es sperrt sich gegen die Ausgleichsbewegung, die ein reibungsarmes Differenzial bei Drehzahldifferenzen zulassen würde. Dies ist einer der seltenen Fälle, in denen man als Ingenieur mehr Geld für weniger Wirkungsgrad verlangen kann. |
Nachteile üblicher Differenziale |
Wie bereits auf der Seite über Differenziale erwähnt, sollen diese den Drehzahlausgleich zwischen unterschiedlich schnell drehenden Rädern ermöglichen. Im normalen Fahrbetrieb wäre es schön, wenn dabei möglichst keine Verluste auftreten, d.h. wenn das Differenzial (zur Unterscheidung von Sperrdifferenzialen auch als offenes Differenzial bezeichnet) möglichtst reibungsfrei arbeitet. Das führt zu minimalen Verlusten bei der Antriebsleistung und vermeidet Einflüsse auf die Lenkung.
Leider hat dieses Verhalten auch Nachteile:
Wenn ein Rad auf Eis oder Schnee steht, dreht dieses durch. Das andere Rad
bekommt auch bei guter Bodenhaftung keine Leistung und das Fahrzeug steht.
Besser wäre es, wenn das Antriebsmoment ungleichförmig verteilt
werden könnte, damit das Rad mit guter Bodenhaftung mehr Motorleistung
bekommt und das Fahrzeug wieder vorwärts treibt.
Gibt man beim Anfahren stark Gas, dann kann nasses Herbstlaub oder Schnee
am Fahrbahnrand dazu führen, dass das äußere Rad plötzlich
die Bodenhaftung und die Seitenführung verliert. Wenn das andere Rad
dann nicht mehr genügend Haftungsreserve hat, wird das ganze Fahrzeug
instabil.
Besser wäre es, wenn die Antriebsmomente entsprechend der Bodenhaftung
(gutes Rad bekommt viel Moment, schlechtes Rad entsprechend weniger) aufgeteilt
werden würden, damit man auch bei etwas mehr Gas noch sicheren Fahrbahnkontakt
hält.
In der Praxis haben offene Differenziale bereits eine gewisse Sperrwirkung, gelegentlich werden Sperrwerte um 13% genannt. Doch oft ist das nicht genug und die Kunden wollen gelegentlich mehr.
Was ist das besondere am Sperrdifferenzial ? |
Im wesentlichen kann man den Auslöser für die Sperrwirkung in mehrere Kategorien einteilen:
Fest voreingestellte Aktivierung, z.B. Klauenkupplung (starre Überbrückung des Differenzials) oder Reiblamellenpaket mit Federvorspannung
Drehzahlabhängige Aktivierung, z.B. Viskokupplung, über Fliehkraft oder Drehzahldifferenz betätigtes Reiblamellenpaket.
Drehmomentabhängige Aktivierung
Elektronisch geregelte / intelligente Aktivierung
Egal, nach welcher Methode die Sperre arbeitet: Immer versucht sie die Drehzahlen zwischen den beiden Abtriebsseiten des Differenzials möglichst gleich zu halten.
Möglichkeiten des Sperrdifferenzials |
Wie bereits angedeutet, kann eine Sperre Traktionsprobleme lösen, dies ist das bekannteste Einsatzgebiet. Hier hat die mechanische (passive) Sperre bereits Konkurrenz durch elektronische (aktive) Traktionshelfer bekommen, die inzwischen fester Bestandteil bei Fahrzeugen mit ESC (Electronic Stability Control, handelsnamen ESP, DSC, usw.) sind. Wie ein Systemvergleich zeigt, kann eine Traktionskontrolle über einen Bremseneingriff bei weitem nicht das leisten, was eine Sperre kann. Trotzdem wird sich der Bremseneingriff im Kielwasser des ESC in allen Fahrzeugklassen zum Standard werden.
Eine andere Anwendung für Sperren ist die Fahrstabilität. Nehmen wir als Beispiel ein Allradfahrzeug, welches ein Zentraldifferenzial mit einer festen Verteilung von 40:60 zwischen Vorder- und Hinterachse hat.
Bei hoher Antriebsleistung wird dadurch mehr Leistung auf die Hinterräder übertragen. Da das Abrollen der Räder nicht perfekt funktioniert, entsteht an jedem angetriebenen Rad Antriebsschlupf, d. h. das Rad macht etwas mehr Weg wenn es angetrieben wird, als wenn es kräftefrei über die Fahrbahn rollt.
Ein offenes Zentraldifferenzial würde diesen Drehzahlunterschied zulassen, ein Sperrdifferenzial -insbesondere ein elektronisch geregeltes- könnte dagegen die Drehzahldifferenz zwischen den Achsen verringern. Dadurch wird die Leistung umverteilt, und die Räder an der Vorderachse, die in unserem Beispiel weniger belastet wurden, erhalten mehr Leistung.
Bei hohen Antriebsleistungen in der Kurve kann das kurveninnere Rad abheben.
Bei einem offenen Differenzial kann dann keine Leistung mehr auf das kurvenäußere
Rad mehr übertragen werden, obwohl es gut belastet ist und dem Fahrzeug
weiteren Vortrieb geben könnte. Das kurveninnere Rad muß erst wieder belastet
werden, damit der Antrieb seine Kraft auf die Straße bringen kann.
Ein Sperrdifferenzial sorgt in der gleichen Situation dafür, dass das
kurvenäußere Rad trotzdem angetrieben wird. Daher können mit Sperrdifferenzialen
auf kurvenreichen Strecken höhere Geschwindigkeiten gefahren werden (siehe Rennsport).
Lenken des Sperrdifferenzials |
Sperre in der Kurve |
Sperrdifferenziale können auf mehrere Arten die Lenkung beeinflussen:
Die Grafik zeigt, dass bei Kurvenfahrt am inneren Rad ein höheres
Antriebsmoment übertragen wird, dadurch entsteht eine höhere
Längskraft am der kurveninneren Rad, welches wiederum das Fahrzeug entgegen
dem Lenkeinschlag wieder geradeaus drehen will.
Ursache ist die Eigenart des Sperrdifferenzials, Drehzahlunterschiede zu
verhindern. Das kurvenäußere Rad will schneller laufen und wird
abgebremst, das kurveninnere Rad will langsamer laufen und wird beschleunigt.
Dabei wird Antriebsmoment auf das langsamere Rad umverteilt und das wiederum
führt zu ungleichen Antriebskräften, welche das Fahrzeug drehen
möchten.
Durch Elastizitäten in der Radaufhängung kann das Antriebsmoment die Räder ein wenig drehen. Beim offenen Differenzial sollte dies auf der linken und auf der rechten Seite des Fahrzeugs gleichmäßig geschehen, beim Sperrdifferenzial sorgen unterschiedliche Antriebsmomentge für unterschiedliche Drehungen und die Räder beginnen unter Last mitzulenken.
Schwächen einfacher Sperrdifferenziale |
Das Sperrdifferenzial an sich leidet vor allem unter seiner Blindheit für den Gesamtzusammenhang der Fahrdynamik. Es kann Drehmomente und Drehzahldifferenzen erkennen. Aber eine Drehzahldifferenz kann notwendig sein, wenn das Fahrzeug in einer Kurve fährt. Und sie kann unerwünscht sein, wenn Traktion oder Fahrstabilität gewünscht ist.
Den Unterschied kann jedoch ein passives Sperrdifferenzial prinzipbedingt nicht aus den ihm zugänglichen physikalischen Größen ermitteln. Der einzige Ausweg ist eine intelligente Regelung, entweder über den Kopf des Fahrers (der durch manuellen Eingriff die Sperre aktiviert) oder durch eine Elektronik, welche die Fahrsituation und Fahrbahnbedingungen analysieren und bewerten kann. Dieser Sperrentyp wird dann als elektronische Sperre bezeichnet.